KLINIK FÜR UROLOGIE, UROONKOLOGIE, ROBOTERGESTÜTZTE UND FOKALE THERAPIE

"Kongressbericht Uroonkologischer Jahresauftakt 2016"

4. Interdisziplinäres Uro-Onkologisches Symposium in Magdeburg Kontroversen in der Urologie

Am 15. und 16. Januar 2016 kamen etwa 250 Urologen, Onkologen, Strahlentherapeuten, Radiologen und Allgemeinmediziner in Magdeburg zusammen, um über aktuelle Trends in der Diagnostik und Therapie von Tumoren der Harnblase, des Hodens, der Nieren und der Prostata diskutieren. Zum 4. Interdisziplinären Uro-Onkologischen Symposium hatten der Urologe Prof. Dr. Martin Schostak und der Strahlenmediziner Prof. Dr. Günther Gademann vom Magdeburger Universitätsklinikum gemeinsam mit dem Urologisch-Onkologischen Arbeitskreis Sachsen-Anhalt e.V. eingeladen.

 

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Das Programm sah mehrere Diskussionsrunden vor, in denen der aktuelle Stand von klinischer Praxis und Forschung kontrovers diskutiert wurde. Die einleitenden Fachvorträge wurden u.a. von 16 bundesdeutschen Lehrstuhlinhabern gehalten, die zu den Besten ihres Faches zählen. 

Dieses innovative Tagungskonzept für die Ärztefortbildung in Sachsen-Anhalt hatte 2015 den „OttoAward“ der Landeshauptstadt Magdeburg für die beste wissenschaftliche Veranstaltungsreihe erhalten. Inhaltliche Berücksichtigung beim diesjährigen Symposium fanden zahlreiche neue Entwicklungen bei der Behandlung bösartiger Erkrankungen des Uro-Genitaltraktes. Dazu zählen viele moderne Möglichkeiten der Diagnostik vor und während operativer Eingriffe ebenso wie die Erweiterung der operativen, strahlenmedizinischen und medikamentösen Therapiemöglichkeiten.

Ärzte und Patienten können oft unter mehreren Optionen wählen. Was ist im Einzelfall die beste Wahl? Wann kann es richtig sein, von den bisherigen Leitlinienempfehlungen abzuweichen? Welche Patienten könnten von neuen klinischen Studien profitieren? Das sind Fragen, die heute mehr denn je in der Urologie teils kontrovers diskutiert werden. Beispielhaft wurden solche Kontroversen auf dem Magdeburger Symposium bei Fragen der Behandlung lokaler Metastasen beim Prostatakrebs, in der neoadjuvanten und adjuvanten Chemotherapie des Harnblasentumors, in der chemotherapeutischen Behandlung des Hodentumors, dem metasta- sierten Nierenzellkrebs, der Operation versus Chemotherapie beim Peniskarzinom und dem Stellenwert neuer bildgebender Verfahren bei der Beurteilung des Prostatakarzinoms thematisiert. In das Veranstaltungsschema passte ein Vortrag von Prof. Dr. Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungs-forschung in Berlin über die statistische Risikobewertung und Entscheidungsfindung. Er zeigte die Schwächen bei der Bewertung statistischer Aussagen, denen selbst langjährige Mediziner unterliegen können.

 

Ein weiteres Thema einer Diskussionsrunde waren Fortschritte der bildgebenden Diagnostik, zum Beispiel beim Prostatakarzinom ohne Fernmetastasen. So wurden neue Erkenntnisse zu PSMA-PET/CT und PSMA-PET/ MRT sowie zur mpMRT von Mitarbeitern des Magdeburger Universitätsklinikums (Prof. Dr. Holger Amthauer und Prof. Dr. Frank Fischbach von der Klinik für Radiologe und Nuklearmedizin) vorgetragen. PD Dr. Georg Salomon vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf berichtete über Fortschritte der Sonografie zur besseren Beurteilung des Prostatatumors. Dank der besseren diagnostischen Techniken ist es heute möglich, nach Entfernung eines auf die Prostatakapsel beschränkten Prostatatumors auch die meisten lokalen Metastasen aufzuspüren und diese operativ oder strahlentherapeutisch zu beseitigen. Den Patienten kann dadurch für längere Zeit eine systemische Hormontherapie (Adrogen-Blockade) mitsamt der unbeliebten Nebenwirkungen erspart wer- den, berichtete u. a. Prof. Dr. Axel Heidenreich aus der Universitätsklinik für Urologie in Köln. Die Pro- und Contra-Runde, die sich mit der adjuvanten und neoadjuvaten Chemotherpie des muskelinvasiven Harn- blasenkarzinoms befasste, offenbarte die seit zwei Jahrzehnten kaum verbesserten Therapiemöglichkeiten bei diesem Tumor. Die meist älteren, von weiteren Erkrankungen wie Herz- und Nierenschwäche betroffenen Patienten, vertragen leider nicht immer die sehr aggressiven Zytostatika, erklärte Prof. Dr. Ulrich Keilholz vom Comprehensive Cancer Center an der Charité Berlin. Etwa die Hälfte der Patienten mit einem muskelinvasiven Harnblasen-Karzinom verstirbt daran innerhalb von fünf Jahren.

Auf dem Kongress wurde teils kontrovers darüber diskutiert, ob künftig mehr Patienten eine Chemotherapie vor der Blasenentfernung angeboten werden sollte. Das Ziel dieser neoadjuvanten Chemotherapie ist, den Tumor vor der OP zu schrumpfen. Leider spricht nicht jeder Patient auf die Behandlung an. Bislang gibt es beim Harnblasen-Karzinom keine diagnostische Möglichkeit, die geeigneten Patienten herauszufinden, bemängelte Prof. Dr. Markus Kuczyk von der Klinik für Urologie und urologische Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover. So kommt es leider immer wieder vor, dass Patienten durch die Platinhaltigen Zellgi e der Chemotherapie einen zusätzlichen Verlust an Lebensqualität erleiden und der Krebs trotzdem weiterwächst. 

 

Hoffnung auf neue Immuntherapien 

Die gute Nachricht auf dem Magdeburger Symposium war, dass vermutlich schon bald neuartige Immuntherapien auch die Behandlung des metastasieren Nierenzell- oder Harnblasen-Karzinoms deutlich verbessern werden. Die neuen Therapien beruhen auf den jüngsten Erkenntnissen der Molekularbiologie, sagte Tagungsleiter Professor Martin Schostak von der Magdeburger Uniklinik für Urologie und Kinderurologie in einem Satellitensymposium. So lassen bestimmte Eigenschaften der Metastasen (z.B. PD-1-Aktivität, Immunstatus) vorhersagen, ob und in welchem Umfang gesunde Zellen durch den Krebs zugrunde gehen. Das führte zu neuen, zielgerichtet auf die genetischen Veränderungen wirkenden Medikamenten, wie Atezolizumab, Nivolumab und Pemb- rolizumab. In multizentrischen Studien u .a. mit Blasenkrebspatienten zeigten sie bereits einen deutlichen Überlebensvorteil bei vergleichsweise geringen Nebenwirkungen. PD Dr. Gunhild von Amsberg, Onkologin am Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, stellte einige mutmachende Studienergebnisse vor. 

Prof. Dr. Christoph Lohmann von der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg berichtete über die Entfernung von Knochenmetastasen und dem endoprothetischen Ersatz. Das Ziel ist es, so wenig wie möglich und soviel wie nötig kranke Knochensubstanz zu entfernen. Auch das macht den Einsatz moderner diagnostischer Techniken künftig umso bedeutsamer.

Viele Referenten machten darauf aufmerksam, dass es bald immer wichtiger sein wird, bei der zunehmenden Zahl von Therapiemöglichkeiten die jeweils geeigneten Patienten zu finden. Mehr denn je wird es nicht um eine reine Verlängerung der Lebenszeit mit Krebs gehen, sondern um eine möglichst optimale Lebensqualität bis zum Tod. Diese Aufgabe müssen sich Urologen, Onkologen und Strahlenmediziner künftig gemeinsam und mit Unterstützung von Fachgesellschaften und Organisationen wie der Deutschen Krebshilfe stellen. 

Mit 18 CME-Punkten zählte das interdisziplinäre Uro-Onkologische Symposium zu den bedeutendsten ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen in Sachsen Anhalt. Zwei weitere CME-Punkte konnten die Mediziner für die Teilnahme am Hands-on-Workshop für Fusions-Biopsie der Prostata erreichen. 

 

Letzte Änderung: 18.06.2018 - Ansprechpartner:

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